Seit der 5. Klasse schwanken Sebastians Noten sehr. Mit dem Beginn der Pubertät vor etwa einem Jahr, hat sein unstetes Leistungsverhalten vor allem in den Hauptfächern noch zugenommen. Mal schreibt er zum Beispiel in Englisch eine 2, mal eine 4. Überfordert scheint er nicht zu sein, ihm fehlt einfach hin und wieder die Motivation zum Lernen. Mit diesem Problem kam Sebastians Mutter schließlich zu uns in die Beratung. Unter anderem fragte Sie uns, ob es Sebastians Motivation helfen würde, wenn sie ihn in Zukunft für gute Noten belohnen würde. Lesen Sie hier unsere Antworten und Erklärungen.
Grundsätzlich werden zwei Arten von Motivation unterschieden: Ist Ihr Kind intrinsisch motiviert, dann lernt es, weil es Interesse am Lernstoff selbst hat. Ist Ihr Kind hingegen extrinsisch motiviert, dann lernt es für gute Noten, Lob oder Prestige. Die extrinsische Motivation kann wiederum aufgeteilt werden in soziale oder materielle Motive. Lernt Ihr Kind aus sozialen Motiven, dann mag es zum Beispiel den Wettbewerb oder das Gruppengefühl beim Lösen einer Aufgabe. Lernt Ihr Kind aus materiellen Motiven, dann lernt es in Erwartung einer Belohnung oder einer Strafe.
Belohnen ja oder nein – die Entscheidung liegt bei Ihnen!
Wir wollen Ihnen das Belohnen weder ein- noch ausreden. Das können wir auch gar nicht, denn jedes Kind reagiert anders auf Belohnungen. Einige Schüler arbeiten tatsächlich motivierter, wenn sie eine Belohnung zu erwarten haben. Manche Schüler freuen sich über Belohnungen, aber auf ihre Lernmotivation wirkt sich das nicht dauerhaft aus. Wieder andere Schüler reagieren äußerst sensibel auf Belohnungen, diskutieren über den Umfang einer Belohnung und sind schnell unmotiviert, wenn sie sich keine Belohnung verdient haben. Am besten Sie beobachten Ihr Kind genau und lassen sich beim Lesen des weiteren Textes folgende zwei Fragen durch den Kopf gehen:
- Kann das Belohnen für mein Kind grundsätzlich ein Motivationsförderer sein?
- Und falls ja, wann, wie und in welchem Umfang möchte ich mein Kind durch Belohnungen zum Lernen motivieren?
Die folgenden „Bedenken“ sind zum „Durchdenken“ gedacht und sollen Ihnen dabei helfen, einen eigenen Standpunkt zum Thema zu finden.
Bedenken Sie, dass Belohnen die Kehrseite von Bestrafen ist!
Ähnlich wie das Loben kann Belohnen ein Motivationsförderer sein. Sicher ist beides, das Loben wie das Belohnen, manipulativ einsetzbar, doch wenn es damit seinen guten Zweck erfüllt und Ihr Kind positiv zum Lernen motiviert, dann ist daran nichts Verwerfliches. Fällt jedoch ein erwartetes Lob zu mager oder ganz aus oder belohnen Sie Ihr Kind für eine Leistung nicht im erwarteten Rahmen, dann kann Ihr Kind dies schnell als Kritik, fehlende Anerkennung oder sogar Strafe empfinden. Oft schüren „ausgefeilte“ Belohnungssysteme dieses Empfinden noch zusätzlich, wenn zum Beispiel für eine 1 sechs Euro, für eine 2 vier Euro und für eine 3 zwei Euro gezahlt werden, aber für eine 4 zwei Euro, eine 5 vier Euro und für eine 6 sechs Euro zurückgezahlt werden müssen.
Belohnungssysteme können den Leistungsdruck erhöhen!
Anfangs haben Belohnungen oft eine motivierende Wirkung auf das Lernverhalten von Schülern. Mit der Zeit ist es aber möglich, dass Ihr Kind sich durch ein solches Belohnungssystem eher gestresst fühlt. Belohnungen geben Ziele vor, die es zu erreichen gilt. Diese Ziele sollten realistisch, das heißt für Ihr Kind auch erreichbar sein. Sind die Ziele zu hoch gesteckt und können nur mit großer Mühe erreicht werden, ist Misserfolg und Frust vorprogrammiert. Selbst wenn die Ziele realistisch sind – dauerhaft auf hohem Niveau lernen und arbeiten, fällt den meisten Jugendlichen in der Pubertät äußerst schwer. Unter Leistungsdruck stehen die Heranwachsenden durch das schulische Benotungssystem sowieso. Für manche Schüler ist noch ein weiteres Bewertungssystem, selbst eines mit Belohnungen, dann eventuell zu viel.
Durch Belohnungen nimmt die Bedeutung der schulischen Noten zu!
Wenn Ihrem Kind seine Schulnoten wirklich egal sind, dann können Sie durch Belohnungen vielleicht etwas daran ändern. Meistens ist der umgekehrte Fall die Regel und das Notenthema bestimmt viel zu sehr den Schul- und Familienalltag. Oft ist es dann nur eine Schutzbehauptung, wenn Heranwachsende sagen, dass Sie Ihre Noten nicht interessieren. Entscheiden Sie selbst, ob Ihr Kind und Ihre Familie durch Belohnungen eine zusätzliche Konzentration auf das Notenthema vertragen könnte.
Belohnen kann den Grund des Lernens verändern!
Wenn Sie sich für das Belohnen von schulischen Leistungen entscheiden, dann kann (muss nicht!) das zur Folge haben, dass sich Ihr Kind beim Lernen demnächst nicht für eine bessere Note anstrengt, sondern weil es sich die versprochene Musik-CD „verdienen“ möchte. Das Ziel des Handelns bzw. der Motivationsgrund kann sich somit weg von der schulischen Leistung hin zur Belohnung verschieben.
Ihr Kind könnte für die gleiche Leistung beim nächsten Mal eine größere Belohnung fordern!
Die „Logik“ Ihres Kindes funktioniert in diesem Fall dann zum Beispiel so: „Eine 3 in Mathe zu bekommen war in der 6. Klasse einfacher als jetzt in der 7. Klasse. Außerdem verlangt der neue Mathelehrer viel mehr als Frau Müller. Weil ich mich nun mehr anstrengen muss, möchte ich für eine 3 diesmal statt zwei Euro vier Euro bekommen.“
Bedenken Sie, dass nicht-materielle Belohnungen die gleiche Wirkung haben können wie materielle Belohnungen!
Auch wenn grundsätzlich immaterielle oder nicht-finanzielle Belohnungen aus pädagogischer Sicht einen besseren Stand haben, so funktionieren sie doch oft ähnlich. Aus einer Nacht Zelten im Garten mit Freunden können ganz schnell zwei oder drei Nächte auf dem Campingplatz am See werden. Primäres Motivationsziel ist dann natürlich auch dass Zelten und nicht die bessere Note oder gar der Zuwachs an Wissen.
Drei Tipps zum Belohnen:
1. Belohnen Sie eher unerwartet!
Dem ganzen Belohnungsdilemma können Sie entgehen, wenn Sie Belohnungen nicht im Vorhinein als Anreiz setzen, sondern Ihr Kind hin und wieder einfach mal damit überraschen. Die Freude über eine solche unerwartete Anerkennung motiviert oft viel mehr als in Erwartung einer regelmäßigen Belohnung zu lernen. Regelmäßige Belohnungen können an Bedeutung verlieren, vielleicht sogar zur Routine werden – wenn auch zu einer schönen Routine. Eine „außerordentliche“ Belohnung hat hingegen automatisch eine besondere Bedeutung und behält diese auch rückwirkend. Das liegt nicht an der Belohnung selbst, sondern daran, dass sie herzlicher ist als die erwartete Belohnung. Die Belohnung kommt spontan und von Herzen und ist damit Ausdruck Ihrer Zuneigung und Anerkennung. Das macht diese Art der Belohnung wertvoll für Ihr Kind.
2. Belohnen Sie nicht nur das Ergebnis, sondern auch mal zwischendurch!
Wenn Sie nur manchmal und unregelmäßig Ihr Kind belohnen, dann haben Sie so auch eher die Gelegenheit, andere Leistungen als den benoteten Aufsatz, das benotete Referat oder die Note der Mathearbeit zu honorieren. Sie können Ihr Kind nun auch zwischendurch, zum Beispiel für seinen Arbeitseinsatz und sein Durchhaltevermögen belohnen, ohne dass es bereits sein Ziel erreicht hat. Zudem unterstützen Sie Ihr Kind mit dieser Art der Belohnung auch auf seinem Weg zum selbständigen Arbeiten. Wenn Sie nur das positive Ergebnis belohnen möchten, dann gibt es vielleicht gerade in schwierigen Zeiten, in denen Ihr pubertierendes Kind eigentlich dringend eine motivierende Belohnung bräuchte, keinen Grund dazu. Belohnen Sie jedoch auch mal zwischendurch, zum Beispiel wenn Ihr Kind zwei Stunden konzentriert gelernt hat, dann unterstützen Sie damit den gesamten Lernprozess positiv.
3. Belohnen Sie so, dass sich Ihr Kind ehrlich über die Belohnung freut!
Wenn Sie Ihr Kind so belohnen wollen, dann überlegen Sie, worüber es sich aktuell sehr freuen würde. Nicht alles, was Ihnen gefällt, gefällt auch automatisch Ihrem Kind – schon gar nicht in der Pubertät! Aber vielleicht spart Ihr Kind gerade für einen neuen Gitarren-Verstärker, dann wäre eine kleine finanzielle Unterstützung speziell dafür sicher eine schöne Belohnung. Hatten Sie in letzter Zeit nur wenige Möglichkeiten gemeinsam mit Ihrem Kind etwas zu unternehmen, dann schenken Sie ihm ein paar Stunden. Überraschen Sie Ihr Kind mit einer Mountainbike-Tour, einem Kinobesuch oder was immer ihm Spaß machen würde. Statt Geld oder gemeinsamer Zeit können Sie ihm natürlich auch das ersehnte Lieblings-T-Shirt schenken, Hauptsache – die Belohnung kommt auch als solche an!
Unser Rat: Seien Sie stolz auf Ihr Kind – das ist die beste Belohnung!
Sicher ist die Belohnung für schulische Leistungen die gute Note an sich! Schüler, die regelmäßig oder zumindest ab und zu gute Noten mit nach Hause bringen, erleben das in der Regel auch so. Dennoch ist es für kleine wie große Kinder entscheidend, wie Sie als Eltern auf die Leistung Ihres Kindes reagieren. Ohne dass Sie Ihre konkreten Wünsche oder Erwartungen genau formulieren müssten – Ihr Kind spürt, was Sie von ihm möchten! Rückwirkend sind solche elterlichen Erwartungen vor allem dann oft bitter, wenn sie nicht erfüllt werden konnten. Sätze wie „Ich habe es meinen Eltern nie recht machen können“ oder „Auf mich konnten meine Eltern nicht Stolz sein“, zeugen von einer beschädigten Beziehung, die negative Spuren im Selbstwertgefühl des Kindes hinterlassen kann.
Verhalten Sie sich anders und seien Sie stolz auf Ihr Kind. Stimmen seine schulischen Leistungen, dann sagen und zeigen Sie ihm das. Hat Ihr Kind Schwierigkeiten in der Schule, dann freuen Sie sich gemeinsam mit Ihm über kleine Verbesserungen. Abgesehen davon will kein Kind, auch nicht die guten Schüler, nur über seine schulischen Leistungen von den Eltern Anerkennung erfahren. Seien Sie stattdessen stolz auf Ihr Kind, so wie es ist. Heben Sie das Gute an Ihm hervor und helfen Sie ihm gerade in der Pubertät, aus schwierigen Situationen wieder herauszufinden. Stehen Sie zu ihrem Kind – das ist die beste Belohnung!